Abnabeln,
heißt es,
halb so schlimm!
"Das muss so", heißt es träge..
Doch du, mein Kind, kennst kein Skalpell,
dafür die Kettensäge.
Im Umbaumodus, heißt es, sind
beim Pubern die Gehirne
bei dir, mein Kind, stylt keiner um,
hier schwingt die Abrissbirne.
Sie geben Tipps, sie geben Rat,
vom Lassen und Halt geben,
doch das, was ungebändigt bleibt
nennt sich wahrscheinlich Leben.
Der Markus Mirschel schmiedet Gold,
von Meiers die Tabea
eröffnet grad ein Schullandheim
in Papua-Neuguinea.
Indessen liegst du aufgebahrt
auf deinen bunten Kissen
und postest was auf Instagram
zwischen zwei Dönerbissen.
Wild thing, you make me Herzinfarkt
und sexy Smokey Eyes
ganz ohne Schminke. Und viel Haar
wird um den Scheitel weiß.
Wo Feuer ist, da ist auch Rauch
wo wir sind, krachen Türen,
ich lieb' dich heiß und du mich auch:
AUA!
Man kann es spüren.
(April 2022)
An Bisse vom Gewissen
ans Abschiednehmenmüssen
an Leute, die verstummen
jedoch in Bärte brummen
ans Grillen mit Bekannten
an Killervarianten
an Speck und Hämorrhoiden
an schlecht verwahrten Frieden
an ungesüßte Keiten
an freudlose Gezeiten
an Freiezeitverzehrer
an Weltlageerklärer
an Haar an falschen Stellen
an unbelegte Quellen
an Orte, die befremden
an kleinkarierte Hemden
an nasse Fernzugschüsseln
ans Skisprungschwebhockpieseln
an limitierten Austausch
an Nüchternheit und Kaufrausch
ans zwischendurch Aufstöhnen
und leider:
ans Gewöhnen.
März 2022
Zerfallen Städte weiter weg
dann schweigen wir betreten
der Menschlichste ist auch nur Mensch
und kann die Welt nicht retten.
Ob Moria in Brand und Flut
ob Belarus im Winter
Sorry, jetzt is' aber mal gut
man hat ja selber Kinder.
Hatt' ich einen im Rooibuschtee
wenn ich Moral schon doppelt seh'?
Wie kommt es, dass mir Mohammed
nicht ganz so nah wie Ana steht?
Warum gibt Obdach, Wasser, Licht,
man jetzt so gern und vorher nicht?
Warum schreitet man hier zur Tat
und zieht woanders Natodraht?
Ich packe Tampons und Kaffee
kein Zweifel soll mich lähmen
geb' gerne ab vom Vielzuviel
hab' keine Zeit zum Schämen.
Wer weiß: wenn einer Teilen lernt
findet er ja Gefallen
und lässt die Türen fortan auf
und dieses Mal dann allen.
Wer einmal hilft, der klaubt auch nicht
nach Gründen, still zu bleiben
wenn Menschen Heimat lassen um
durch Niemandsland zu treiben
(November 2021)
Werte Vogelkundewelt,
hiermit freundlich vorgestellt
die "Gemeine Pandemeise"
Steckbrief anbei auszugsweise:
Schmalzgeformtes, Käfer, Fliegen
lässt die Pandemeise liegen
Spezifisch für ihre Art:
der Verzehr von Kopfsalat.
Dieser wächst schier überall
- Mainstream, Nebenstream, egal
Weltweit sieht man an Gestaden
derzeit Pandemeisen waten.
Amseln, Drosseln, Fink und Star
tschilpen fassungslos "OHA!"
Wenn die Pandemeisen singen
und dabei abscheulich klingen.
Ratsam ist es, sich zu hüten
wenn die Pandemeisen brüten
Die Vermehrung geschieht schnell
expodingsbums, potentiell.
Als perfekte Meisenscheuche
dient im Falle einer Seuche
alter Freund und gutes Buch
kaum zu glauben, doch genug.
Schon hört man sie nicht mehr trapsen
Zahlen und Zitate japsen
Wer sie kennt, vermeidet meist
dass sie ihm ins Großhirn scheißt.
Drei Wochen alle Kinder krank
mit Husten, Kotz und Schiss
Sie steh'n in meinem Kleiderschrank
der jetzt begehbar ist.
Zur Küche bitte dort entlang
was haben wir denn hier?
In Karpacz steht die Kirche Wang
hier Baukunst aus Geschirr.
Das feine Teppichmuster stammt
von Schmalz und Marmelade
der Kopf vom Legomann, verdammt,
ruht hier, ich spür' ihn gerade.
Mein Arbeitszimmer sehn' Sie hier
wahrscheinlich gerade nicht
ein Berg aus Kritzelknüllpapier
dimmt elegant das Licht.
Vor dieser Tür nun bitte Halt
ein spaltbreit Einblick allen
die für viel Sensationsgehalt
gerne was extra zahlen.
Das war's auch schon, macht Siebenzehn
zugunsten von Likören
ich sage lieb "Auf Wiedersehn'"
Sie werden von mir hören.
Die Kilos laden Freunde ein
und Niesen: lieber nicht
den einst geliebten Joggingtrail
betrat ich lange nicht
Die Teenies spüren Peinlichkeit
obwohl ich's herzlich meine
singt Peppa Wutz ein Kinderlied
passiert es, dass ich weine
Der Freund aus wilder Jugendzeit
ruft an, er hätte Speziales
'ne Sterbefallversicherung
im Falle eines Falles
Ich stretche auf dem Canapé
in schönster Arschfrissthose
mein Mann steppt konzentriert vorbei
und später schmerzt die Pose
Ein Bauarbeiter pfeift ein Lied
das von amore handelt
der treuen Eule gilt es nicht
wenn sie stadteinwärts wandelt
Alles muss 'raus zum Supersale
hormonaffiner Sachen
wem das nicht zu gefährlich ist
kann bebend drüber lachen
Es geht noch was, und jetzt erst recht
hitzwellige Gemüter!
Leidensgenossin, sei gewiss:
die Jahre wechseln wieder.
*frei nach "Kleines Solo" von Erich Kästner, 1947
Einsam bist du, nicht alleine
keine BF weit und breit.
Hängst die Wäsche. Auf die Leine.
Brauchst Gespräche, findest keine.
Alltag graubunt. Weißt Bescheid.
Einsam bist du, nicht alleine
und am schlimmsten ist die Mamaeinsamkeit.
Wünsche wirbeln in Maschinen
Glück: ein Kinderlachen, klar,
ein paar Teilzeitkontokröten
und wenn Weihnacht alle flöten
und kein Kaugummi im Haar.
Einsam bist du, nicht alleine
Sehnsucht macht sich sprungbereit.
Wippst die Wippe. Pflasterst Beine.
Unergründlich ist die Spielplatzeinsamkeit.
Schenkst dich hin. Mit Herz und Händen.
Weißt oft nicht mehr, wer du bist.
Wintertage, die nicht enden
Sender, die Beklopptes senden
wenn das Leben offline ist.
Bist sogar im Kuss alleine
weil er meist nach Abschied schmeckt.
Bastelst. Singst. Zu zweit. Alleine.
Und das Fenster starrt verdreckt.
Einsam bist du, nicht alleine
und du schämst dich
für die Mamaeinsamkeit.
Klackklock, Playmobilfigur!
Mama geht auf Aufreißtour
Speisereste, Katzenhaar
Gott sei Dank, da isse ja.
Und die Einhornglitzerkette?
Guckst du, Waschmaschinmanschette!
Papas teure Gleitsichtbrille?
Taste in der Sofarille!
"Haus verliert nix", raunt der Weise
stockt und korrigiert sich leise:
"Okay, außer Teelöffel, einzelne Socken,
Bastelscheren und Zahnspangen,
Fernbedienungen, mobile Endgeräte, Versichertenkärtchen, Ordner, Geburtsurkunden,
Waffeleisen und Nagelknipser."
Eine Frau steigt auf die Waage:
träge auf und hastig ab
unwirsch knetet sie ein Röllchen
das es kürzlich noch nicht gab
und ein Herr zückt einen Mundschutz
den er seit zwei Wochen trägt
was ein käsefarbner Klecks im
unteren Bereich belegt
und ein Kind guckt aus dem Fenster
das vom Gucken schon ganz blind
und es weiß von vielen Kindern
die auch hinter Fenstern sind
und 'ne Möwe, die ansonsten
gern aus Tütchen Pommes klaut
einsam auf der Promenade
was von vorvorgestern kaut
und ein Greis entnimmt der Zeitung
dass er nun vereinsamt sei
- war nicht gerade noch Besuch da,
im April 2003?
Irgendwo seufzt eine Mutter:
üben wir auch heut' Verzicht,
und Geduld und gute Hoffnung
und Triola bitte nicht.
Leise regt sich eine Sehnsucht
und dann schläft sie wieder ein.
Irgendwann, das weiss ich sicher
wird es wieder Frühling sein.
Bei der dritten Ladung Wäsche
fällt ihr plötzlich etwas ein:
eine lustige Reklame
für den Holzfällerverein
und sie sagt dem Allerliebsten
"Bin mal ganz kurz im Büro"
(das liegt hinter sieben Bergen
aus Bonbonpapier und so)
Rechner hoch, die Finger sinken
emsig auf die Tastatur
Teenie räuspert sich: "Ich suche
meine Ladekabelschnur?"
Telefon, Tante Elfriede
schwärmt von Räucherlachstartar
Avocado, etwas Rettich,
Majo, Zwiebeln, wunderbar
vor der Tür die dicke Katze
möchte raus, nee, lieber rein,
drinnen stellt sie fest, sie möchte
doch ganz gerne draußen sein
kleine Händchen, zarte Stimme:
"Mama, gummal, senk iß dir!"
und ein halbes Honigbrötchen
landet zwischen @ und 4.
"SCHATZ?", sie klingt ein wenig spröde
fern vom Sofa schallt es "Jap?"
"Nimmst du mir mal kurz die Kinder
und vielleicht das Kätzchen ab?"
Guten Willens, wenn auch träge
schreit er Namen. Folgenlos.
Katze, Kind und Plüschgorilla
klettern froh auf ihren Schoß
knappe sieben Stunden später
ist das große Werk vollbracht:
dvkvgkgkvgvkvvkvvggvdsgsggns!
Zusatzzahl:
408
Oft bleibt mir zwischen Buchsbaumhecken
der Mutterwitz im Rachen stecken
denn zwischen Anna, Max und Hans
blüht anderes als Toleranz.
Das Hohelied der Kinderzucht
erreicht das Väterchen, das flucht
wie auch die Träumerin beim Lesen
lässt sie Jan-Sören Erde essen.
Nur wer mit Apfelschnitz bewehrt
die Schaukel schwingt, bleibt unbelehrt,
nur wer die Kletterburg umkreist
stellt klar, was "Aufsichtspflicht" umreißt.
Und wehe der, die abseits hockt
von Tabakrauch hauchzart umglockt...
Sieht man dem Spielplatztreiben zu
erinnert's oft an Waterloo:
ach, das gemeine Mütterlein
kann überaus verbissen sein
und selten fasst Familienliebe
auch Anderer Entwicklungsschübe.
Die Elternschaft von Liz und Henner
sie bleibt der kleinste aller Nenner!
Endlich Kokolores shoppen
endlich wieder billig fliegen
endlich Monsterautos kaufen
wenn wir Prämien dafür kriegen
Freiz-, äh, Freiheit, lieb und teuer
freut uns alle
Ungeheuer.